2023 hat sich im Hamburger Süden ein neues Bildungsnetzwerk gegründet. Gründungsmitglieder des Netzwerks Lesekompetenz 10+ sind alle zehn Stadtteilschulen (die aktuell von fast 10.000 Kindern und Jugendlichen besucht werden) sowie die fünf Bibliotheken/Bücherhallen aus den Stadtteilen Wilhelmsburg und Veddel sowie dem gesamten Bezirk Harburg. Ziel des Netzwerks ist es, die Lesekompetenz von Schüler:innen der Stadtteilschulen im Hamburger Süden zu erhöhen und dadurch ihre Bildungs- und Zukunftschancen zu verbessern.
Darüber hinaus soll das Netzwerk der Bündelung von Kompetenzen vor Ort dienen, dem fachlichen Diskurs und Austausch sowie der gemeinsamen Formatentwicklung und Koordination von Projekt- und Veranstaltungsorganisation. Mit der Initiative soll außerdem mehr für die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen in Sozialräumen wie Wilhelmsburg, Harburg und Neugraben/Neuwiedenthal sowie die besondere Bildungssituation vor Ort sensibilisiert werden. Bei allen Netzwerkaktivitäten soll explizit auch ein Fokus auf die Übertragbarkeit auf andere ähnliche (Hamburger) Sozialräume gerichtet werden.
Zum Hintergrund: Lesen ist nach wie vor der entscheidende Schlüssel zur Bildung und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Doch laut aktueller IGLU-Studie hat sich die Leseleistung der Viertklässler:innen erneut verschlechtert – bundesweit erreicht 25% aller Schüler:innen am Ende der Grundschulzeit kein ausreichendes Leseniveau. Und auch wenn die Lesekompetenz der Viertklässler:innen in Hamburg über dem bundesweiten Schnitt liegt, verfehlt hier laut IQB-Bildungstrend noch rund 38% den Regelstandard. Es ist also davon auszugehen, dass weit mehr als ein Drittel aller Hamburger Schüler:innen kaum über die nötige Lesekompetenz verfügt, um sich in der weiterführenden Schule selbstständig Wissen anzueignen und somit nachhaltig erfolgreich am Unterricht teilnehmen zu können.
Im Hamburger Schulsystem konzentriert sich das Problem aktuell noch wesentlich deutlicher als vor Corona an den Stadtteilschulen – und hier verstärkt in Stadtteilen, in denen viele Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status leben. Während sich die Schüler:innen der weiterführenden Schulen hamburgweit etwa gleich auf die Schulformen Stadtteilschule und Gymnasium verteilen, besucht in Wilhelmsburg und Veddel sowie dem gesamten Bezirk Harburg mit zwei Drittel die absolute Mehrheit der Schüler:innen als weiterführende Schule eine Stadtteilschule. In anderen, sozioökonomisch bessergestellten Stadtteilen verhält es sich genau andersherum. Bildungserfolg ist also auch in Hamburg weiterhin in hohem Maße herkunftsabhängig – und die Schere zwischen Kindern mit Zuwanderungshintergrund und aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status gegenüber Kindern aus privilegierteren Familien ist nach den Schulschließungen der Coronazeit noch einmal weiter aufgegangen. Auch im Bereich der Lesekompetenz zeigt sich das besonders deutlich: Die letzten Ergebnisse der Hamburger Schulleistungstests KERMIT bestätigen, dass es in Folge der Coronamaßnahmen in Stadtteilschulen mit mittlerer und hoher sozialer Belastung zu „bedeutsamen Kompetenzrückgängen“ im Bereich des Textverstehens gekommen ist – eine Entwicklung, die sich massiv auf die Bildungs- und Zukunftschancen der betroffenen Kinder und Jugendlichen auswirkt.
Die Arbeit des Netzwerks wird in den Schuljahren 2023/2024, 2024/2025 und 2025/2026 von der Aurubis AG unterstützt.
Kontakt: Maren Töbermann (Projektmanagement Leseförderprojekte), marentoebermann@buewi.de